THE WHO - 20.06.2023 berlin Waldbühne - support: The wake woods

 

THE WHO - 20. Juni 2023 – Berlin / Waldbühne – Support: THE WAKE WOODS – Text: Mike Kempf

 

Dienstagabend, brütende Hitze flimmert durch Berlins ehrwürdige Kulturstätte, die im Zuge der Olympischen Spiele von 1936 erbauten Waldbühne. Geschätzt ca. 18.000 Fans pilgern in die nicht ganz ausverkaufte Arena und freuen sich auf THE WHO. Es wird das einzige Deutschland-Konzert ihrer Europatour 2023 sein.

 

Dass mir so richtig warm ums Herz wird, dafür sorgt vorab das Berliner Trio THE WAKE WOODS, die ab 18:30 Uhr verantwortlich sind, dass die Fans auf beste Betriebstemperatur gelangen. Keine Frage, die Mannen um Bandboss INGO SIARA, Bruder/Gitarrist HELGE und Drummer SEBASTIAN KUHLMEY, scheinen jegliche Form von Lampenfieber abgeschüttelt zu haben, gehen sofort in Vollgasmodus und sammeln erste Beifallskundgebungen.

 

Mit Songs ihres im Januar 2022 veröffentlichten Alben 'Treselectria' und dem daraus resultierenden Highlights „Electric Boogie“ und „Paycheck“, könnte man meinen, die Rock-Combo stammt aus der Zeit der glorreichen Briten, für die sie eben das Podium warm spielen. Dem ist zwar nicht so, doch macht ihr musikalisches Können, ihre Songs, ihre Live-Performance und die Liebe zu ihrer Musik Hoffnung auf eine erfolgversprechende Karriere. Wer ein komplettes WAKE WOODS-Konzert erleben möchte, dem bietet sich am kommenden 20. Oktober die Gelegenheit – im Prenzlauer Berg gelegenen Roadrunner’s Paradise.

 

19:30 Uhr - es ist so weit. Das komplette WHO-Ensemble betritt die ehrwürdige Bühne und blickt auf einen bestuhlten Innenraum. Mit reichlich Beifall empfangen, haben es von der 1964 gegründeten THE WHO immerhin Sänger ROGER DALTREY und Gitarrist PETE TOWNSHEND, trotz über fünfzig Jahre echten Rock’n’Roll-Lebens, geschafft, die Bühne zu betreten. Exakt die Spielstätte, die am 15. September 1965 von Tausenden ROLLING STONES-Fans auseinander genommen wurde.

 

Könnte man die Zeit zurückdrehen, wären auch THE WHO von damals in der Lage gewesen, die Waldbühne zu verwüsten. Vor allem ältere WHO-Fans wissen zu erzählen, dass TOWNSHEND und Co. in den 60/70ern nach dem Konzertende ihr Equipment zertrümmerten. In TOWNSHEND Biografie - 'Who I Am' [2012] – hat er auf witziger Weise beschrieben, dass diese aus Kostengründen anschließend wieder mühselig zusammengesetzt wurden, um diese beim nächsten Auftritt wieder in ihre Einzelteile zu zerlegen. Des Weiteren erzählt PETE über zahlreiche Band-Drogen-Exzesse, der letztlich seiner Zeit einen der besten Drummer – KEITH MOON – am 7. Sept. 1978 das Leben kostete. In der Tat, wenn man seine Geschichte mit all seinen Eskapaden, ob im privaten oder mit der Band, liest, grenzt es fast an ein Wunder, dass er immer noch unter uns weilt.

 

Ich bin gespannt, wie gut TOWNSHEND, der im Mai 78 Jahre alt geworden ist und DALTREY, der Anfang März gar 79 Kerzen auszublasen hatte, noch in Form sind. Zwar können sie naturgemäß nicht mehr mit der ungeheuerlichen Energie aufwarten, mit der sie vor ein paar Jahrzehnten zu beeindrucken wussten. Doch auf das Hier und Jetzt hat es keine große Bedeutung. Das, was in diesem Zeitpunkt zählt, ist, dass die Beiden einen seltenen Hauch nostalgischer Rock’n’Roll-Geschichte durchs Areal schweben lassen, der die Waldbühne in dieser Form so vermutlich nicht noch einmal heimsuchen wird.

 

Trotzdem möchte ich allen Berliner Rockfans die Option offen lassen, dass THE WHO hier vielleicht doch nochmal ihre Visitenkarte abgeben werden. Meine Hoffnung stützt sich auf mehrere Tatsachen. Zum einen scheint DALTREY kaum etwas von seinem Stimmvolumen verloren zu haben, singt kraftvoll, wirkt sehr textsicher und man merkt ihm zu keinem Zeitpunkt sein fortgeschrittenes Alter an. Genauso verhält es sich bei TOWNSHEND, der zwar nicht so wie früher die Bühne auf und ab wirbelt, er aber immer noch sein Gitarrenspiel beherrscht und ab und zu erstklassige Soli beiträgt. Keine Frage – dem Duo sind kaum Abnutzungserscheinungen anzumerken, wirken immer noch topfit.

 

Links und rechts außen werden PETE und ROGER von zahlreichen Musikern in Form von Bläsern, Streichern und Pianisten flankiert, die den mittig platzierten WHO-Duo mit orchestralem Klangfundament gut auf Trab hält und nebenbei dafür sorgt, dass den Fans eine tolle Zeitreise geboten wird. Eine Zeitreise, die mit der „Overture“ beginnt, die mit weiteren Highlight-Auszügen von TOWNSHENDS 'Geistesblitz', seinem Entwurf der Rockoper 'Tommy' mit „Pinball Wizard“, „Amazing Journey“ oder „1921“ über „Tattoo“, „Who Are You“ bis hin zu „Baba O’Riley, viele Stationen ihrer erfolgreichen Karriere ansteuern.

 

Einiges zum Gelingen der Show trägt PETES Bruder SIMON bei, der als Rhythmus- oder Soloklampfer spielstarke Akzente beimischt und der Mann an der Schießbude – ZAK STARKEY. Keine Frage, der Sohn von BEATLES-Ikone RINGO STARR hat Dynamit in seinen Fäusten und lässt seine Sticks übers Drumset wirbeln, die durchaus ein Vergleich mit KEITH MOON zulassen. Fast das gleiche Kunststück gelingt DALTREY, der einmal sein Gesangsmikro derart kunstvoll um seinen Körper zirkulieren lässt, wie es Yoyo-Star EVAN NAGAO hätte kaum besser machen können.

 

Fazit: THE WHO haben mit ihrer etwas über zwei Stunden dauernde Show ein eindrucksvolles Rockspektakel hinterlassen. Eine Show, die meiner Meinung nach keine Wünsche offen ließ. Ein Live-Erlebnis, das anhand des guten Fitnesszustandes von PETE und ROGER eine Wiederholung einer Europa-Tour nicht gänzlich ausschließen lässt. Gut so! THE WHO, ihr seid gern gesehene Berlin-Gäste!

 

Wir bedanken uns beim Concertbüro Zahlmann für die problemlose Akkreditierung und der Unterstützung von KBK GmbH.

 

 

 

 

 

 

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