GENERATION SEX – 07. Juli 2023 – Berlin, Zitadelle Spandau - Support: WEDGE - Text: Holger Ott
Mit Bürsten, Sicherheitsnadeln, Ketten und Nieten behangen, oder wie glaubwürdig ist ein Punker über 70.Die "Ich bin gegen Alles und Jeden"-Generation der späten 70er Jahre hatte am Abend des 07. Juli in der Zitadelle Spandau in Berlin ihren großen Auftritt. Ja, es flogen auch Bierbecher, wie in den guten alten Zeiten, aber ist die Location nicht etwas zu, na ja vornehm, für solch ein Event, bei dem man damit rechnen muss, das alles kurz und klein geschlagen wird? Vierzig Jahre zuvor und vielleicht im SO36 wäre das wohl noch so gewesen, heute steht die Menge gesittet, schon fast zu ruhig und lauscht andächtig dem, was dort vor ihnen auf der Bühne geschieht.
Da vorne eröffnet den Abend erst einmal eine Band, die musikalisch nicht viel mit dem Hauptact gemeinsam hat. Das Trio WEDGE bietet eine Mischung aus mittlerem bis hartem Roch mit einer kleinen priese Progressive. Die Band war mir bis dato völlig unbekannt, doch lässt sie mich bereits nach den ersten Klängen aufhorchen. Es gefällt mir und neben meiner Arbeit als Fotograf vor der Bühne, habe ich dennoch ein offenes Ohr für ihre Musik. Ich gebe gerne zu, dass sie mir von Ersten bis zum letzten Ton gefallen.
Leider ist ihr guter Auftritt bereits nach 25 Minuten vorbei. Schade, dass WEDGE es nicht schaffen, das träge Publikum mitzureißen, dafür ist die Zeit einfach zu kurz. Die kleine Band aus Berlin, die beim Recherchieren schon beachtliche Erfolge an Auftritten sowie drei Alben vorweisen kann, hat bei mir und meinem Kollegen Mike einen echt positiven Eindruck hinterlassen. Wir werden die drei mal kontaktieren, um ihnen ein paar gezielte Antworten aus dem Kreuz zu leiern.
Pünktlich wie die Maurer entern GENERATION SEX die Zitadelle. Man muss ja dort immer auf die Uhr schauen um nicht vorzeitig den Hahn abgedreht zu bekommen. Die Formation, deren Mitglieder aus Ex-SEX PISTOLS und GENERATION SEX-Leuten besteht und dessen Zugpferd eindeutig BILLY IDOL ist, kämpft erst einmal mit technischen Problemen, bis der gute BILLY einen Ton herausbringen kann. Bis dahin wird „Smoke On The Water“ improvisiert. Wären sie mal bloß in dieser Richtung geblieben.
Die alten Haudegen geben in Berlin ihr einziges Konzert in Deutschland. Dennoch hält sich der Andrang in Grenzen. Geschätzte zweitausend Figuren finden den Weg in das ehrwürdige Bauwerk, die doch tatsächlich, allerdings zum geringen Teil, ihre Kammern, Keller und Speicher aufgeräumt haben, um die alten Utensilien startklar zu machen. Irokesen-Style ist nicht dabei und die Ketten- sowie Nietenträger sind ebenfalls nur spärlich vertreten. Sicherheitsnadeln durch die Backe scheinen wohl auch nicht mehr im Trend zu liegen. So sieht man die gesetzte Generation in Begleitung von ihren Sprösslingen und Enkelkindern um denen mal zu zeigen, wie damals Revolte gemacht wurde.
Auch bei der Band scheint der richtige Punk in Vergessenheit geraten zu sein. Lediglich BILLY ist seiner Linie treu geblieben und wäre er nicht mit an Bord, hätte man die Veranstaltung auch abhaken können. So gibt er im Wechsel mit TONI JAMES einige Klassiker zu Besten bei denen die SEX-PISTOLS-Songs eindeutig herausragen. Der Rest, wie aus Stimmen im Publikum wahrzunehmen ist, ist deutlich zu Lahm und langweilig. Ich kann dem nur zustimmen. Es fehlt der pepp, die innerliche Wut mit denen die Songs damals herausgeschrien wurden und eben das ganze Ambiente, welches gute Punk-Konzerte ausgemacht hat. Das Quartett legt nur noch Wert darauf fehlerfrei zu spielen und gut dazustehen. Nein, das ist kein Punk-Konzert, sondern eine Vorstellung über 70-jährige, die nur noch übers Verhalten der Queen und das britische Regime wettern.
Das Publikum honoriert diese mäßige Vorstellung mit spärlichem Applaus und als nach nur glatt einer Stunde die Vorstellung beendet ist, werden sogar Buh-Rufe laut. Dafür 75 Tacken im VVK auf den Tisch zu packen ist schon kein schlechter Stundenlohn und selbst die drei mäßigen Zugaben ohne ein weiteres Highlight reißen da nichts mehr.
Schönen Dank für den Besuch in Berlin, aber BILLY IDOL-Solo ist da schon eine ganz andere Hausnummer. Früher hätten die Alt-Punker unter den Besuchern nun endlich die Zitadelle auseinandergenommen, aber auch dafür fehlt ihnen inzwischen die Energie. So entschwinden alle gesittet und geordnet die Lokalität in Richtung Abenddämmerung.
Wir danken CBZ (Concertbüro Zahlmann) für die Akkreditierung.
Generation Sex sind:
Billy Idol (Vocals) Ex Generation X
Tony James (Bass, Vocals) Ex Generation X
Paul Cook (Drums) Ex Sex Pistols
Steve Jones (Guitar) Ex Sex Pistols
Generation Sex spielten:
01: Smoke On The Water
02: Pretty Vacant
03: Ready Steady Go
04: Bodies
05: Kiss Me Deadly
06: Dancing With Myself
07: Silly Thing
08: God Save The Queen
09: Untouchables
10: Problems
11: Your Generation
12: (I'm Not Your) Stepping Stone
13: My Way
14: The Great Rock 'n' Roll Swindle
Wedge sind:
Kiryk Drewinski (Vocals, Guitar)
Holger Grosser (Drums)
Dave Götz (Bass, Keyboards)
Wedge spielten:
01: Easy Chair
02: Playing A Role
03: Nuthin’
04: Computer
05: Who Am I?
06: ’61 SG
07: Lucid