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HANNO BRUHN GANG - 10. Dezember 2023 – Berlin / Hafenbar Tegel - Text: Mike Kempf - Fotogalerie: Conny Kempf

 

Weeste wat“ - heute Abend hängt ein deutscher Rockmusiker seine Karriere an den Nagel, dessen Wurzeln stark mit Berlin verbunden sind - HANNO BRUHN. Sicherlich EINER der Gründe, warum die Tegeler Hafenbar auch an einem Sonntag richtig gut gefüllt ist. Unter den Gästen entdecke ich MARKUS, Sohn von FRANK ZANDER, der hier stellvertretend seinen berühmten Vater vertritt, für den HANNO einst „Hier kommt Kurt“ entwarf. Ein anderer Grund ist seine langjährige musikalische Geschichte, die er in seiner Biografie 'Blues im Gepäck' in Romanformat äußerst spannend, witzig und vor allem sehr authentisch zu Papier brachte. Mal abgesehen davon, dass die Story absolut lesenswert ist, ist es vor allem seine Musik, die heute als Hauptantriebsfeder dient, um uns am Rande der Reinickendorfer Greenwichpromenade zu manövrieren.

 

Die Leser vom 'Blues im Gepäck', seine Stammfans und diejenigen, die sich eh für deutsche Rockmusik interessieren, wissen, was HANNO in seinem gut 50-jährigen Musikerleben alles zustande brachte. Dass er einst gar mit CHUCK BERRY die Bühne teilte, er eng mit MUNGO JERRY zusammen arbeitete, er für zahlreiche Künstler Hits schrieb, früher sogar Berlins bekanntester Playboy ROLF EDEN zu seinen Publikumsgästen zählte, er für DIETHER KREBS „Ich bin der Martin“ entwarf und der Song sogar mit 'Gold' ausgezeichnet wurde und, und, und… Alles Geschichte.

 

Das, was heute zählt, ist das Hier und Jetzt. Erwartungsgemäß strahlt HANNO, so wie beim letzten Hafenbar-Auftritt am 17. August dieses Jahres, eine enorme Gelassenheit aus. Kein Wunder, bei seiner Lebenserfahrung. Apropos Erfahrung – schaue ich mir die Musiker an, ist kein einziger Grünschnabel zu erkennen. Angetrieben vom Protagonisten selbst, unterstützt vom Mann an der Schießbude ROGER HOENICKE und Pianist ERNIE SCHMIEDEL, erzeugt das Trio ein grundsolides Klangfundament, auf dem sich Gitarrist LUTZ KRÜGER, die Gastmusiker, Harper MARKUS KUNZ und Saxofonist KALLE 'CARLOS' ENGELHARDT mit glanzvoll vorgetragenen Soloeinlagen bestens in die Show einfügen – wenn sie selbst nicht gerade aktiv für den rhythmischen Untergrund musizieren.

 

Wie von den Fans erwartet, spielt die Band einige Stücke vom Album 'Gruß vom Blues', unter anderem in der ersten Hälfte des Konzerts mit meinem persönlichen Highlight des Abends „Blues im Haus“, in einer Langversion und KRÜGERs spektakulärem Saitenzupf. KRÜGER selbst, der an diesem Abend neben einer DOBRO vier weitere Gitarren bespaßt, genießt den Abend in vollen Zügen und versprüht enorm viel Spielfreude. Mit „Weeste wat“, in dem HANNO die Anwesenden zum kräftigen Refrain-Gesang animiert, erschallt nach seiner »Weeste wat?«-Frage, vom Publikum eine lautstarke Gegenfrage »Na wat, Na wat?!« und läutet eine kurze Pause ein.

 

Mit einer Coverversion von „Route 66“ wird der zweite Teil des Abends eröffnet und lässt mit „Dobro Boogie“, „Über den Dächern“ und „Es ist spät geworden“ ein paar HANNO-Klassiker folgen. Doch damit nicht genug, denn BRUHN zieht mit der Sängerin RACHEL HIEW und den Schlagzeuger CHRIS EVANS zwei JOKER aus dem Ärmel, die zum Ende des Gigs nochmal frischen Wind erzeugen. Vor allem HIEW beeindruckt durch ihr temperamentvolles auftreten. Mit kraftvollen und doch glasklarem Gesang trägt die Frontfrau viel zum Gelingen von HANNOs 'Keep On Rockin The Blues mit Schnauze'-Abschlussfeier bei. Als die Messe anscheinend gelesen ist, ringen die Fans mit enthusiastischen »HANNO, HANNO, HANNO...«-Rufen der Band zwei Zugaben ab, in dem der endgültige Schlussakt „Berlin uff Blues“ eine perfekte Karriere ihr Ende findet.

 

Allerdings ein perfektes Karriereende mit viel Wehmut. Denn HANNO BRUHN hat auch diesmal nicht nur im makellosen Entertainment durch den Abend geführt, hat nicht zum ersten Mal eine toll eingespielte Band zusammengestellt, nicht zum ersten Mal für eine grandiose Stimmung gesorgt, sondern dürfte den meisten Anwesenden bewusst geworden sein, dass eben ein großes Stück deutscher Rockgeschichte sein Ende fand. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt und wer weiß, vielleicht sage ich irgendwann zu meinem Herzblatt: „Weeste wat?“...
 

Wir bedanken uns beim Hafenbar-Team für die problemlose Akkreditierung.

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