tilo georg copperfield-interview 12. oktober 2023 berlin - hafenbar tegel

Interview mit TILO GEORG COPPERFIELD – 12.10.2023 - Berlin, Hafenbar Tegel - Text: Mike Kempf – Foto: Conny Kempf

 

Letzten Donnerstag – 12. Oktober – spielte

T.G. COPPERFIELD erstmalig in der Hafenbar Tegel. Vor und nach dem Konzert nutzte ich die Gelegenheit, um TILO ein paar Fragen zu stellen. Neben alltägliches stand Musik, die Band und das Berlin-Konzert im Mittelpunkt des Frage- und Antwortspiels. Doch lest selbst…

 

 

ICH WAR HEUTE ZUM ERSTEN MAL IN DER HAFENBAR

UND BIN TOTAL BEGEISTERT

 

 

SOUNDANALYSE: Hallo TILO, vielen Dank für Deine Interview-Zusage. Wie bist Du in den letzten turbulenten Jahren – ich denke da an Corona, Klimawandel und den Ukraine-Krieg – umgegangen?

 

TILO: Ich denke erstmal so wie jeder andere auch. Mit dem Gefühl von Unsicherheit und vielleicht auch Kontrollverlust. Gott sei dank hat es mich gesundheitlich während Corona nicht stark erwischt, bis auf eine etwas härtere Grippe Anfang 2023, aber insgesamt bin ich sehr froh, dass wir wieder normale Konzerte spielen können. Der Ukraine-Krieg hat mich persönlich stark betroffen. Wir hatten einer vierköpfigen Familie aus Odessa bei uns im Haus für 8 Wochen Zuflucht gewährt, bis wir für sie in eine Wohnung vermitteln konnten. Da hat man die Situation natürlich hautnah miterlebt und es ist einfach unfassbar, dass wir uns offensichtlich als vermeintlich aufgeklärte Gesellschaft wieder auf dem Weg ins Mittelalter befinden. In Deutschland neigen wir sehr dazu, viel zu jammern, aber angesichts der Katastrophen, die gerade passieren, sind wir doch auf einer Insel der Glückseligen. Auch den Klimawandel bekomme ich hautnah mit. Ich wohne auf dem Land und sehe schon, dass diese extremen Wetterphänomene stark zunehmen. Trockenheit wechselt sich ab mit extrem starken Regenfall, die Vegetation verändert sich. Man blickt schon eher in eine düstere Zukunft. MAD MAX lässt grüßen. Aber wie gehe ich damit um? Ich bin Musiker und versuche den Leuten ein wenig Abwechslung zu bieten. Meine Konzerte sind ein Urlaub vom Alltag und wie auf der Titanic spielt die Kapelle bis zum Schluss.

 

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SOUNDANALYSE: Ich finde Deine Unterstützung der ukrainischen Familie bemerkenswert. Besteht aktuell weiterhin Kontakt? Und, wie haben sie sich in den ersten Monaten in Deutschland zurechtgefunden?

 

TILO: Ja, wir haben regelmäßigen Kontakt. Alle können mittlerweile schon sehr beachtlich Deutsch sprechen und die Tochter möchte im Gesundheitswesen arbeiten. Das hat sie in der Ukraine gelernt und genau in der Branche suchen wir ja händeringend Leute. Ich muss sagen, das war trotz der Anstrengungen wirklich eine Bereicherung in meinem Leben, dass wir hier helfen konnten. Während der Zeit ist auch einiges von meinem aktuellen Album 'Out In The Desert' entstanden und das hat auch sicherlich die Grundstimmung stark beeinflusst.

 

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SOUNDANALYSE: Da kann ich gleich mal das Thema wechseln. Dein neustes Album hat mir sehr gut gefallen. Dabei ist mir natürlich ein Künstlername besonders aufgefallen – BEN FORRESTER. Wie kam es, dass Du ihn zum gemeinsamen Musizieren animieren konntest?

 

TILO: Ich habe BEN bei einem Konzert in meiner Nähe kennengelernt. Er war mit PAULIE CERRA unterwegs und die ganze Band war richtig Klasse. BEN war an der Gitarre und hat mich da vollkommen begeistert. Da sind wir dann gleich ins Gespräch gekommen und auf der Tour mit JADE McRAE (welche die Backgrounds bei JOE BONAMASSA singt) habe ich ihn dann wieder getroffen. Da wegen Corona einige Konzerte ausgefallen waren, haben wir uns zusammengetan und die Zeit genutzt, an einem gemeinsamen Album zu arbeiten. Ich habe die Songs geschrieben und BEN die E-Gitarrenparts beigesteuert. Das hat eine Menge Spaß gemacht und das Album klingt dadurch ganz anders, als wenn ich es selber im Alleingang gemacht hätte. Wir haben auch zusammen ausgewählt, welche Songs auf "Out In The Desert" landen sollen und haben uns letztlich für einen lyrisch eher dunkleren Ansatz entschieden. So hat das ganze Werk eine ganz eigene Färbung bekommen.

 

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SOUNDANALYSE: Ich finde, die Zusammenarbeit mit Dir und BEN sollte wiederholt werden. Ist dahingehend etwas geplant? Zumindest befindet Ihr Euch aktuell auf eine gemeinsame Tournee.

 

TILO: Ja, wir spielen dieses Jahr verteilt einige gemeinsame Gigs und promoten das Album. Bei mir kommt die Überlegung für den nächsten Schritt immer sehr spontan und deshalb will ich, so wie ich es immer halte, alles auf mich zukommen lassen. Es gibt aber eine große Nachfrage, da die Konzerte wirklich was Einzigartiges sind. Von daher bin ich hin- und hergerissen, ob es eine Wiederholung geben kann/wird. Ich würde es sehr gerne als etwas Besonderes halten, es macht aber auch sehr viel Spaß. Wir lassen mal die Zukunft offen und ausschließen will ich mal gar nichts.

 

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SOUNDANALYSE: Heißt das, dass Du generell nach allen Seiten offen bist? Gibt es denn Musiker, mit denen Du gerne mal zusammenarbeiten möchtest?

 

TILO: Ja, ich bin grundsätzlich jemand, der gerne dazulernt und ich möchte mich kontinuierlich weiterentwickeln. Deshalb habe ich auch sehr viel Spaß daran, mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten. Das führt dann oft zu überraschenden Ergebnissen. Es gibt viele Leute, mit denen ich sehr gerne zusammen arbeiten würde, aber da muss einfach der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort vorhanden sein. Das heißt, die Sterne müssen günstig stehen und dann macht man das aus dem Bauch heraus. Bei mir kommt das auch immer darauf an, was ich gerade künstlerisch zu dem Zeitpunkt zu sagen habe. Und dazu muss dann auch der jeweilige Kollaborationspartner passen.

 

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SOUNDANALYSE: Wie sieht es um Dein Equipment aus? Wie viel Gitarren sind in Deinem Besitz? Und, gibt es darunter eine Klampfe, die Dir besonders am Herzen liegt?

 

TILO: Das klingt jetzt ein wenig bescheuert, doch die habe ich schon lange nicht mehr durchgezählt. Aber ich habe schon einige Gitarren. Bin aber auf keinen Fall ein Sammler oder Ähnliches. Das Equipment, das ich mir zulege, erfüllt immer einen gewissen Zweck. Werkzeug halt. Aber es gibt schon ein paar Sachen, an denen mein Herz hängt. Zum Beispiel eine sehr günstige rote Ephiphone ES335, die ich mit neuen Tonabnehmern ausgestattet habe. Die habe ich vor mehr als 10 Jahren in einem total heruntergekommenen Second-Hand-Shop gekauft und ich spiele sie seit zwei Jahren unentwegt auf Tour. Oder auch meine schöne Goldtop Maybach mit P90er Pickups, die mich auch nach Nashville begleitet hat zur Aufnahme meines Albums 'Crank it up in Nashville'. Zwei, drei schöne Akustikgitarren und eine coole Dobro von Ortega sind auch wichtig für mich, denn ich schreibe den Großteil meiner Songs auf Akustikgitarren. Bei Verstärkern bin ich mittlerweile schon lange bei Vox und Fender angekommen. Das ist einfach für meine Musik der logischste Sound und ich kann mithilfe von Pedalen alles Mögliche herausholen. Oft inspiriert mich auch ein bestimmter Sound, Modulationseffekt oder Overdrive und ich lasse mich davon beim Songschreiben leiten. Insgesamt bin ich überhaupt nicht Trendbewusst, habe keine digitalen Verstärker und setze auf Sachen, die zuverlässig und kugelsicher sind.

 

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SOUNDANALYSE: Lass uns mal auf Deine Electric-Band eingehen. Wie sieht da das aktuelle Line-up aus? Kannst Du mit ein paar Worten Deine Begleitmusiker vorstellen?

 

TILO: Das derzeitige Line-up besteht aus MICHAEL "Air" HOFMANN am Schlagzeug, CLAUS BÄCHER an den Keys und DON KARLOS am Bass. In letzter Zeit hatten wir auch TOBI MAYER und ALEXANDER SCHOTT am Bass. Weil wir soviel unterwegs sind, müssen wir da ein wenig flexibel sein. Wir hatten auch schon Gigs gespielt, ohne Keys, aber dafür mit zwei Gitarren. Der Kern bleibt aber immer gleich: COPPERFIELD-Songs zwischen Blues, Rock und Americana.

 

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SOUNDANALYSE: Neulich habe ich ein Video entdeckt, in dem Du mit TIMO GROSS musizierst. Liegt da was im Busch?

 

TILO: TIMO GROSS ist ein Gitarrist, den ich sehr schätze und wir hatten uns im letzten Jahr gegenseitig besucht. Ich kann dazu noch nicht viel sagen, weil meine musikalischen Kooperationen immer ein bisschen Spontanität brauchen. Aber wir beide werden in Zukunft sicher noch mal was miteinander machen, wenn sich der richtige Moment ergibt.

 

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SOUNDANALYSE: Wie gehst Du mit den sozialen Netzwerken und mit Streaming-Diensten um? Kannst Du von diesen Medien profitieren, bzw. in welcher Form?

 

TILO: Also ehrlich gesagt sind mir die Streaming-Dienste relativ egal. Ich habe zwar meine Musik auf Spotify oder Amazon Music hochgeladen, aber ich stecke da keinen Aufwand hinein, mich zum Beispiel auf irgendwelchen Playlists platzieren zu lassen. Für mich zählt immer noch das Albumformat und nicht der einzelne Song. Die meiste Zeit stecke ich lieber ins Komponieren oder ins Biertrinken. Trotzdem ist es wohl sinnvoll seine Musik dort anzubieten, weil man sonst nicht gefunden werden kann und ich will das halt meinen Fans ermöglichen. Aber da mir der kurzfristige Erfolg eh egal, und meine Arbeit langfristig angelegt ist, setze ich lieber auf die künstlerische Entwicklung als auf Hokuspokus. Die sozialen Medien sind für mich eine gute Möglichkeit, mit Musikliebhabern in Kontakt zu bleiben. Ich nutze das hauptsächlich, um die Leute über meine Shows und neue Musik zu informieren oder ob ich irgendwo auf der Tankstelle eine Bockwurst esse (lacht). Ansonsten spielt sich 99% des Lebens in der Realität ab. Also auf der Bühne, mit echten sozialen Interaktionen und dafür muss man auch mal raus gehen.

 

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SOUNDANALYSE: Der Hafenbar-Gig ist nun Geschichte. Für diesen Abend hast Du mit SIMON DANNINGER (Schlagzeug) und ALEXANDER SCHOTT (Bass) quasi zwei Musiker von der Straße geholt. Na gut, SCHOTT war ja schon mal bei Dir im Einsatz. Trotzdem finde ich die Aktion insofern bemerkenswert, als Ihr so noch nie vorher zusammen gespielt habt. Wie kam es dazu?

 

TILO: ALEXANDER SCHOTT (genannt SCHOTTI) hat, Du hast es eben erwähnt, in diesem Jahr schon ein paar Mal bei uns ausgeholfen, als Not am Bass war. Wir sind mittlerweile so oft unterwegs, dass wir uns personell einigermaßen flexibel aufstellen müssen. Da tut es gut, so Klasse Musiker wie SCHOTTI oder SIMON zu kennen. Drummer AIR war leider diesmal verhindert und BEN hat SIMON aus Nürnberg angesprochen. Er war sofort an Bord und ich bin jetzt noch beeindruckt, wie er das komplett ohne Probe alles so toll hinbekommen hat. Immerhin ist der Job an den Drums ein sehr entscheidender für eine Band. Wenn da was schiefgeht, dann geht das ganze Boot unter. SCHOTTI hat sich auf der Fahrt nach Berlin noch die Backing-Vocals draufgeschafft, die AIR normal singt. Also auch an der Stelle sehr cool, dass da alle so mitziehen. Aber immerhin geht es um die wichtigste Sache der Welt: den Rock and Roll!

 

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SOUNDANALYSE: Wie hast Du das Konzert, den Sound, die Fans und die Organisation der Hafenbar-Crew wahrgenommen?

 

TILO: Ich war heute zum ersten Mal in der Hafenbar und bin total begeistert. Hier stimmt für mich alles. Eine wunderbare Gastfreundschaft, man fühlt sich von der ersten Minute an als Musiker willkommen. Sound und Technik sind ebenfalls Klasse und die Leute hier sowieso. Gerade für die Art Musik, die wir spielen (Blues, Rock und Americana) hat DANIEL ein sehr gutes Händchen und die Gäste wissen, dass man da immer was Tolles geboten bekommt. Ich rate nun allen Berlinerinnen und Berlinern, dass sie dort mal vorbeischauen sollten und die Hafenbar unterstützen. Solche Kulturstätten muss man hegen und pflegen und vor allem durch Konzertbesuche unterstützen. Wir kommen auf jeden Fall sehr gerne wieder.

 

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SOUNDANALYSE: Für heute hast Du all meine Fragen beantwortet, doch so wie ich es immer mit meinem Befragten halte, gehört Dir das letzte Wort.

 

TILO: Vielen Dank MIKE für den tollen Austausch und die Fragen. Ich vermisse Berlin jetzt schon wieder und freue mich, hoffentlich bald wieder in der Hauptstadt zu sein. Bei allen Konzertbesuchern und meinen Fans bedanke ich mich, weil ihr das alles erst möglich macht. Seid nett zueinander, versucht Euch gegenseitig zu verstehen und vor allem: hört gute Musik!

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