canned heat & ten years after - 20. oktober 2023 kulturhaus neuruppin

CANNED HEAT / TEN YEARS AFTER – 20.10.2023 – Kulturhaus Neuruppin - Text und Fotos: Holger Ott

 

Nasskaltes Wetter, stürmisch und nicht gerade um die Ecke. Dennoch werden weder Kosten noch Mühen gescheut, um die alten Recken aus Woodstock vielleicht das letzte Mal live erleben zu können. Diesen Gedanken haben außer MIKE und mir noch etwa siebenhundert weitere Fans, die das Kulturhaus in Neuruppin entern und ich werde zu meiner Überraschung nicht enttäuscht.

 

Bei Bands, in denen leider nur noch jeweils ein, ja man kann bei CANNED HEAT schon Originalmitglied sagen, spielt, kommt einem immer der Gedanke, ob es dann nicht mehr nach einer Coverband klingen könnte. Bei CANNED HEAT, die den Abend eröffnen, ist das nicht so.Sie legen sofort mit einem Hit los und die Stimme von Sänger und Gitarrist JIMMY VIVINO ist erstaunlich nahe am Original. "On The Road Again" klingt einfach hervorragend und bringt das Publikum sofort in Fahrt.

 

Abwechselnd werden neue und ältere Songs präsentiert, die so gut rüberkommen, dass die Stimmung im Saal zunehmend steigt. Herausragend dabei die Präzision, mit denen gespielt wird. Egal ob Mundharmonika oder Bass, alles harmoniert wie in den Glanzzeiten der Band. Lediglich Drummer und letztes altes Mitglied ADOLFO "FITO" DE LA PARRA geht hinter seiner, ganz in Chrom gehaltenen Schießbude etwas unter.

 

Viel Bewegung ist leider nicht auf der Bühne. Erst als VIVINO ohne Mikrofon agiert und man seine kräftige Stimme ohne Verstärkung bis in die hinteren Reihen hört, kommt auch mehr Bewegung in die Band. Bassisten ausgenommen, sie sind ja bekanntlich ein eigenes Volk, die lieber im Hintergrund wie angewurzelt agieren. So wie "FITO" DE LA PARRA, der gegen Ende ein kleines Solo einstreut, welches nicht unbedingt erwähnenswert wäre, aber somit erhält jeder seine Plattform in der Band. "Goin' Up The Country" und "Let's Work Together" dürfen nicht fehlen und, schön in das Konzert eingefügt, runden den Auftakt des Abends ordentlich ab.

 

Leider, so muss ich anmerken, geht das Signieren diverser Merchandise-Artikel völlig an uns vorbei. Angekündigt war es, passiert sein muss es in der sehr kurzen Umbaupause und somit sind bestimmt einige Fans, uns inklusive, auf der Strecke geblieben. Schade, dass die Band nicht so viel Zeit übrig hat, um es nach der kompletten Show, gemeinsam mit TEN YEARS AFTER zu machen. TYA dagegen nahmen sich ausreichend davon, um wirklich jeden Foto- und Autogrammwunsch zu erfüllen. Bevor es aber dazu kam, wurde erst einmal gespielt.

 

Zu meiner Schande muss ich zugeben, dass mir die meisten Songs von TEN YEARS AFTER nicht geläufig sind. Aus den Augen, aus dem Sinn, sozusagen. Sicher ist "I'm Goin' Home" immer in irgendeinem Gehörgang verwurzelt, aber der Rest? Schweigen wir lieber darüber. So auch bei ihrem Auftritt in Neuruppin kein Highligt, kommt an die Performance von Canned Heat nicht heran.

 

Zwar geht es recht heftig los und Sänger/Gitarrist MARCUS BONFANTI wirbelt ordentlich über die Bühne, doch mir fehlt das gewisse Etwas. Mein erster Eindruck: Er versucht optisch ALVIN LEE zu erreichen, ist davon aber noch eine Meile entfernt. Lediglich sein Spiel überzeugt. Ständig im Augenmerk von RIC LEE trifft er auf der Gitarre jeden Ton wie im Original. Zumindest in der Beziehung eine herausragende Leistung. Wie ich finde, ist er aber deutlich zu jung und passt nicht so richtig in die Band. Aber, wie überall heutzutage, finde mal das richtige Personal um die Karre am Laufen zu halten. Mit BONFANTI hat die Band wenigstens einen perfekten Gitarristen.

 

Zu meiner großen Freude darf ich COLIN HODGKINSON am Bass noch einmal live erleben. Der Mann hat mich schon immer beeindruckt. Bei seinem Anblick bin ich leicht erschrocken. Sehr klapperig und extrem abgemagert schleicht er auf die Bühne. Dünn war er ja schon immer, aber dass er nun die Achtzig streift, sieht man ihm mehr als deutlich an. Es dauert auch eine ganze Weile, bis er am Bass so richtig in Fahrt kommt. Anfangs etwas zu ruhig legt er nach dem Akustik-Set doch noch, seinem Spitznamen "Bomber" entsprechend, gut los. Später, als ich ihm zum Abschiedsfoto sehr nahe bin, sieht er deutlich erholter aus.

Solche Menschen wie er brauchen die Bühne. Würden sie auf der Couch versauern, wären sie am nächsten Tag tot. Viele verstehen vielleicht nicht, dass Arbeit Leben bedeutet. Er wird gebraucht und das hält ihn aufrecht. Wenn der mal auf der Bühne umkippt, hat er wohl den schönsten Tod, den er sich wünschen kann.

 

Genau das Gegenteil ist Keyboarder CHICK CHURCHILL. Auf der Bühne das blühende Leben und an den Tasten wie ein Weltmeister, sitzt er zur Autogrammstunde zusammengekauert und sehr schlecht aussehend auf einem Stuhl und ist dankbar, wenn ihn jemand anspricht.

Würde ALVIN LEE noch leben und stellte man seinen Bruder RIC neben ihn, wäre jetzt wohl kaum ein Unterschied zu erkennen. Beide unverkennbar das gleiche Gesicht, wie aus einem Ei gepellt.

 

Auf der Bühne gibt sich RIC als der "Diktator" und unterbricht auch schon mal einen Song, wenn ihm über den Monitor die Keys zu laut ins Ohr dröhnen. Kurzes Kommando an den Soundmann und alles noch einmal von vorne.

So richtig motiviert scheint mir RIC auch nicht zu sein. Ein Drummer mit so langer Erfahrung sollte präziser spielen können. Da reißt auch das überlange, zeit-schindende Solo nichts raus. Ebenso wie der akustische Break habe ich ständig das Gefühl, dass hier nur die Zeit herumbekommen soll. Zwischendurch haut LEE dann auch noch kleine, mehr oder weniger interessante, Anekdote heraus, aber so richtig zündet der Funke bei mir und meinem Kollegen nicht.

 

Musikalisch war es in Ordnung, es haben leider nur mehr kleine Highlights gefehlt. Da rettet auch ein Hit wie"Going Home" nichts mehr, auch nicht, wenn er zum Medley mutiert und somit überlang wird.

Andersherum in der Reihenfolge wäre der Abend bestimmt besser verlaufen. So stehen CANNED HEAT nur wie die Vorband zu TEN YEARS AFTER da, obwohl es ja eigentlich ein doppeltes Headliner-Konzert ist.

 

Dennoch, man hat sie noch einmal erlebt. Ob es wieder passieren wird, steht infrage und deshalb resümiere ich den Abend als durchaus gelungen - mit einigen Abstrichen.

 

Wir bedanken uns beim Team vom Kulturhaus in Neuruppin für die problemlose Akkreditierung.

 

CANNED HEAT sind:

Adolfo De La Parra (Drums)

Jimmy Vivino (Vocals, Guitar)

Dale Spalding (Vocals, Guitar, Harmonika)

Rick Reed (Bass)

 

TEN YEARS AFTER sind:

Ric Lee (Drums)

Marcus Bonfanti (Vocals, Guitar)

Chick Churchill (Keyboards)

Colin Hodgkinson (Bass)

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