The hamburg blues band & Chris Farlowe - 26.01.2024  Berlin, quasimodo

HAMBURG BLUES BAND - 26. Januar 2024 – Berlin / Quasimodo - Text: Mike Kempf - Fotogalerie: Conny Kempf

 

GERT LANGE, Mitbegründer der HAMBURG BLUES BAND, lädt die Fans zur '40th Anniversary Tour' ein und gastiert heute Abend im Westberliner Kultclub Quasimodo. Neben den Ausnahmegitarristen KRISSY MATTHEWS, den Bassisten REGGIE WORTHY [IKE &TINA TURNER, ERIC BURDON], EDDIE FILIP [Drums] hat er noch 'The Voice' CHRIS FARLOWE mitgebracht, der, wenn ich die vergangenen mit ihm erlebten HBB-Konzerte zugrunde lege, mit seiner Bühnenperformance allein das Eintrittsgeld wert ist.

 

Zunächst fällt auf, welche Frischzellenkur der einst so erfolgreich geführte Club unterzogen wurde. Kaum noch etwas erinnert an die glorreiche Zeit, in denen sich unzählige namhafte Jazz- und Bluesmusiker die Klinke in die Hand gaben, in der einst sogar BAP [1980], PRINCE [1987] oder CINDY LAUPER [2008] auftraten und von den Wandfotos Rocklegenden wie zum Beispiel B. B. KING oder LUTHER ALLISON die Fans anstrahlten. Kaum etwas von alldem ist noch spürbar und ich frage mich, ob es wirklich gut war, derartiges Kulturgut einfach entsorgt zu haben. Stattdessen 'brilliert' der Club mit Discokugeln, mit komplett in schwarz gestrichen Wänden und setzt seit geraumer Zeit wohl vermehrt auf tanzwütige Touristen. Es handelt sich hierbei aber nur um einen Verdachtsmoment.

 

Noch lange nicht entsorgt ist die Rockgeschichte der HAMBURG BLUES BAND, weshalb wir heute live vor Ort sind. Die Band um Bandboss LANGE, die in den letzten Jahren sehr viel in die deutsche Bluesfanszene investiert hat, in dem sie unter anderem mit MIKE HARRISON [SPOOKY TOOTH], MAGGIE BELL [STONE THE CROWS], DICK HECKSTALL-SMITH, CLEM CLEMPSON und eben CHRIS FARLOWE [allesamt COLOSSEUM], PETE BROWN, MILLER ANDERSON [SAVOY BROWN] oder 'Fire-Legende' ARTHUR BROWN auftraten und somit ebenfalls zu Legenden-Status gelangten.

 

Um das Erfolgskonzept der HBB weiterhin am Leben zu halten, denkt LANGE schon lange zukunftsorientiert und hat sich – wenn dieser nicht gerade mit eigener Band tourt – die Dienste von KRISSY MATTHEWS gesichert, der auch heute Abend der Show seinen Stempel aufdrückt. Selbst Kroatiens Rockröhre VANJA SKY hatte er schon am Haken, die aber zeitgleich selbst eine Bühne entert und folgerichtig heute nicht dabei sein kann. Angefangen mit „Rockin’ Chair“ dirigiert LANGE – mit optisch schicken 5-Tage-Gesichtsfell – in gewohnter Manier durchs Programm. Kündigt vorsichtshalber an, dass sich die Fans nicht sorgen müssen, da sich CHRIS FARLOWE im Quasi befindet und ist sich nicht zu schade, von einem Fan kurzerhand dessen Gehstock zu leihen und für ein paar Sekunden sein Luftgitarrenkönnen anzudeuten. Nebenbei unterstreicht er meine These, wie wichtig die Aufgabe eines Rhythmusklampfers ist – ich erinnere nur an MALCOLM YOUNG! Schließlich denkt GERT laut nach »Wer hätte denn von uns gedacht, als wir 1982 nach einer Jamsession im Onkel PÖ die Band gründeten, sie heute noch bestehen würde?«

 

Direkt vor Bass-Monster REGGIE WORTHY stehend, kommen wir in den Genuss des IKE und TINA TURNER-Klassikers „Nutbush City Limits“. Währenddessen kann ich aus nächster Nähe beobachten, wie er mit exzellent ausgebildeter Fingerakrobatik seinen Sechs-Saiten-Bass bespaßt. Keine Frage, ein Tieftonexperte, der sich problemlos in die Kategorie 'Besonders wertvoll' einstufen lässt.

 

Kurz vorher plauderte MATTHEWS in fast perfekten deutsch über sein besonderes Verhältnis zur einstigen HBB-Drummer-Ikone HANS WALLBAUM, der 2020 leider von uns ging. Für KRISSY einer der besten Drummer ever. Doch mit EDDIE FILIP hat GERT einen Drummer gefunden, der meiner Meinung nach das hanseatische Blues-Ensemble bestens in Takt und auf Trab hält.

 

Nun kommt der Moment, auf den die Fans sehnsüchtig gewartet haben – CHRIS FARLOWE betritt die Bühne und zieht mit seiner Aura das Publikum in seinen Bann. Wie von ihm gewohnt, unterhält er nicht nur mit witzigen Zwischendialogen, sondern beweist, dass auch von seinem Stimmvolumen her weiterhin mit ihm zu rechnen ist. Davon inspiriert zelebriert MATTHEWS ein paar Soloattacken, mit denen er von den Fans tosende Ovationen erntet. Einmal fiedelt sich KRISSY derart in Trance, dass die Fans dem Ausrasten nahe sind, doch FARLOWE cool bleibt und den Saitenhexer fragt, ob er endlich fertig sei. Mit solchen Showeinlagen erhält 'The Voice' reichlich Applaus. Nebenbei stellt das Blues-Urgestein mit „Need No Doctor“ selbst fest, dass er keinen Arzt benötigt. Dem stimmen die Fans zu, denn das einzige, was er wirklich braucht, ist der Ort, wo er sich am wohlsten fühlt – Live on Stage!

 

Zum Ende gibt es noch „Shaky Ground“ und „All Or Nothing“ auf die Lauscher, mit denen LANGE & Co. den Club in bester Stimmung versetzt. Dadurch selbstverschuldet, wird die Band nur mit einem üppigen Zugabenblock das Areal unbeschadet verlassen können, der prompt mit „Got What I Want“, „Out Of Time“ und „Wanna Make Love“ folgt. Und dann entdecken wir beim Verlassen des Clubs doch noch ein Utensil aus vergangenen Tagen – einen Bistrotisch mit altem Quasimodo-Schriftzug.

 

Wir bedanken uns bei GERT LANGE für die problemlose Akkreditierung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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