Artur Menezes - 22. Oktober 2023 - berlin, hafenbar tegel

ARTUR MENEZES – Hafenbar Tegel / Berlin – 22.10.2023 - Text: Mike Kempf

 

Keine 48 Stunden sind vergangen, als uns die Rocklegenden

CANNED HEAT und TEN YEARS AFTER in Neuruppin mit klassischem Bluesrock versorgten, da befinden wir uns vor der Bühne der Hafenbar Tegel. Das Programm der Verantwortlichen kündigt Musik eines gebürtigen Brasilianers an. Gott sei Dank handelt es sich hierbei nicht um Lambada, die die Anwesenden vielleicht an traditionelle Karnevalsmusik heranführen soll. Nein, heute Abend ist es der südamerikanische Ausnahmegitarrist ARTUR MENEZES, der aktuell in der Bluesszene mit reichlich Bestnoten bedacht, und nun erstmalig in Berlin auftritt.

 

2018 beim Blues-Challenge in Memphis belegte er den dritten Platz. Zwei Jahre später erhielt er aufgrund seiner Förderung des Blues eine Green Card der USA und zog nach Los Angeles. Sicherlich auch Gründe, warum kein Geringerer als JOE BONAMASSA bei seinem 2020er-Album 'Fading Away' als Gastmusiker mitwirkte.

Mit den Belgiern SAMUEL RAFALOWICZ (Schlagzeug) und LORIS TICS (Bass) stellt sich uns im Laufe des Abends eine richtig gut funktionierende Rhythmusfraktion vor, und das, obwohl sie vorher nur einmal geprobt haben! Umso erstaunlicher, dass man es den Beiden nicht anmerkt, sie ihre Aufgabe – MENEZES ein grundsolides Klangfundament zu servieren – zu 100 % erfüllen. Betreut wird das Trio von NICO DE KOCK (Sänger der BluesBones).

 

Vom ersten Ton an wird mir vor Augen gehalten, wer Chef an Deck ist - ARTUR MENEZES. Der erst 26-Jährige steht klar im Mittelpunkt des Epizentrums und serviert den Fans ein gut zweistündiges Saiteninferno, das ich nur mit dem Prädikat 'Besonders wertvoll' versehen kann. Selbst wenn ich hoch konzentriert nach einem Haar in der Suppe Ausschau halte – es gibt keins. Auf seiner weißen Stratocaster zaubert er mit präziser Fingerakrobatik die herrlichsten Saitenläufe hervor, die man in dieser Top-Qualität nicht alle Tage geboten bekommt.

 

Mit zunächst anspruchsvollen psychedelischen Heavy-Bluesrock demonstriert der Ausnahmegitarrist sein unglaubliches Feeling, wenn es darum geht, die skurrilsten Tonfolgen erschallen zu lassen. Dabei verlangt er vom Publikum gute Nehmerqualitäten, vor allem dann, wenn er sich in Trance spielt, mit exzessiven Geklampfe gut 20 Minuten am Stück die Saiten seines Spielgeräts zum Glühen bringt. Da grenzt es fast an ein Wunder, dass diejenigen, die an vorderster Front ihre Tanzbeine schwingen, MENEZES musikalischer Urgewalt standhalten können.

 

Nach einer kurzen Pause gedenkt er an ALBERT KING und STEVIE RAY VAUGHAN - den er sogar optisch ähnelt - und vom Können ebenfalls an die glorreichen Blueser vergangener Tage mithalten kann. Dadurch geht es im zweiten Teil nicht mehr ganz so heavy zu, ohne dass es dabei zu einem Qualitätsverlust kommt.

 

Vorne sitzt ein in Berlin lebender Italiener, der nach dem Konzert seine mitgebrachte Gitarre signiert bekommt und sich zumindest in diesem Moment als glücklichster Fan des Abends fühlt.

Und doch, erst zum Ende hin, finde ich noch ein Haar in der Suppe.

Denn es erschließt mich nicht, warum die Band die geforderte Zugabe nicht bringt. Es ist aber der einzige Wermutstropfen des Abends.

 

Fazit: Wie es aktuell die Macher der Hafenbar schaffen, in letzter Zeit solch hochkarätige Acts wie MENEZES zu verpflichten, bleibt uns ein Rätsel. Es muss sich nur noch vermehrt in Berlin herumsprechen, damit künftig mehr Fans den Club aufsuchen, somit die Verantwortlichen auch künftig Rockmusik aus dem obersten Regal anbieten können.

 

In diesem Sinne bedanken wir uns beim Hafenbar-Team für die problemlose Akkreditierung.

 

 

 

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